Tempo-Potenzialanalyse am Beispiel ausgewählter ICE-Strecken der Deutschen Bahn

Henning Jensen

Ansatz & Fragestellung

Im Rahmen des Seminars Angewandte Geodatenverarbeitung beschäftigt sich dieses Projekt mit Tempo-Potenzialanalysen von ausgewählten ICE-Strecken der Deutschen Bahn. Dabei werden aus einem frei zur Verfügung stehenden Datensatz zwei Strecken extrahiert und näher betrachtet:

ICE-Strecke München - Hamburg
ICE-Strecke Berlin - Köln

Für jeden Abschnitt auf den beiden ausgewählten Strecken gibt der herangezogene Datensatz der Deutschen Bahn eine zulässige Maximalgeschwindigkeit für die Züge an. Die angegebenen Richtwerte reichen dabei von 50 bis 300 km/h. Durch die gegebenen Parameter Streckenlänge und zulässige Maximalgeschwindigkeit kann die Fahrzeit für die jeweilige Zugstrecke abgeleitet werden. Dadurch ergeben sich folgende Fragestellungen:

Angenommen ICE-Züge fahren mit der maximal zugelassenen Geschwindigkeit, welche Fahrzeiten ergeben sich dann für die beiden ausgewählten ICE-Strecken? Inwiefern unterscheiden sich die Ergebnisse von den reellen Reisezeiten?

Die Relevanz dieser Untersuchung ergibt sich aus der konkreten Annahme, dass die Fernzüge der Deutschen Bahn möglichst ohne Zeitverlust das Reiseziel erreichen. Die Frage ist, ob die ICE-Züge demzufolge das volle Geschwindigkeitspotenzial der einzelnen Streckenabschnitte ausschöpfen.

Import & Verarbeitung der Datensätze

Für diese Untersuchung werden insgesamt drei Datensätze importiert:

  1. Verwaltungsgebiete auf Bundeslandebene
    • Polygon-Shapefile der 16 Bundesländer
    • Quelle: BKG (2019)
  2. Städte & Siedlungen
    • Punkt-Koordinaten deutscher Städte und deren Attribute
    • Quelle: Natural Earth (2019)
  3. Streckennetz der Deutschen Bahn
    • Polylinien aller aktiven Zugstrecken und deren Attribute
    • Quelle: DB Datenportal (2018)

Die ersten beiden Datensätze dienen vornehmlich der Visualisierung. Nach dem Import der Daten werden diese entsprechend der Ausrichtung dieser Untersuchung bearbeitet. Dazu gehört eine Datensortierung sowie die Zuweisung passender Projektionen (EPSG 4326, WGS 84).

Der dritte Datensatz bildet die eigentliche Grundlage für die Berechnung der Fahrzeiten. Zunächst wird der Datensatz jedoch gesichtet, gefiltert und der passenden Projektion zugewiesen. Die untere Abbildung zeigt das Hauptnetz der Deutschen Bahn im gesamten Bundesgebiet. Dargestellt sind nur Strecken, die von Personenzügen befahren werden und über eine Oberleitung verfügen.

Weiterhin sollen nur die Schnellfahrstrecken, die mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h befahren werden können, dargestellt werden. Die folgende Abbildung zeigt in einer angepassten Darstellung die sechs größten Städte in Deutschland mit den selektierten Streckenabschnitten und deren Geschwindigkeitsklassifizierungen.

## Warning: The shape laender_4326 is invalid. See sf::st_is_valid

Tempo-Potenzialanalyse ICE-Strecke München - Hamburg

Vorbereitung des Datensatzes

Im Hinblick auf die Fragestellungen können nun die herangezogenen Daten ausgewertet werden. Dazu wird die Gesamtstrecke von München nach Hamburg aus dem gewonnenen Streckennetz der Deutschen Bahn extrahiert. Weiterhin wird der Datensatz zusätzlich gefiltert, damit beispielsweise Doppelgleise das Ergebnis nicht verfälschen.

Die folgende Abbildung zeigt den gesamten Streckenverlauf von München nach Hamburg. Es ist zu erkennen, dass im Verlauf der Strecke unterschiedliche Maximalgeschwindigkeiten vorliegen.

## Warning: The shape laender_4326 is invalid. See sf::st_is_valid

Um die Validität dieser extrahierten ICE-Strecke von München nach Hamburg zu überprüfen, können verschiedene Berechnungen vorgenommen werden. Beispielsweise lässt sich nun die Streckenlänge berechnen, welche folgend in Kilometern ausgegeben wird.

(sum(mu_hh_4326$laenge)/1000)
## [1] 780.383

Berechnung des Tempo-Potenzials

In diesem Schritt wird letztendlich die ideelle Fahrzeit eines ICE der Deutschen Bahn auf der Strecke von München nach Hamburg berechnet. Dazu muss im Datensatz das entsprechende Attribut Geschwindigkeit in ein numerisches Format gebracht werden. Daraufhin ist es möglich durch die gegebenen Parameter die Fahrzeit zu berechnen.

Fahrzeit (h) = Länge des Streckenabschnitts (km) / Zulässige Höchstgeschwindigkeit (km/h)

Die folgende Tabelle zeigt, dass für jeden Streckenabschnitt die benötigte Fahrzeit berechnet wurde. Werden die Werte der betreffenden Tabellenspalte aufsummiert und in ein lesbares Zeitformat gebracht, ergibt sich eine ideelle Fahrzeit von 3 Stunden, 50 Minuten und 43 Sekunden.

##    von_km_i laenge Geschwindigkeit                       geometry fahrzeit_h
## 1  99959942     24             160 LINESTRING Z (10.99602 49.4...   0.000150
## 2  99959966    572             160 LINESTRING Z (10.9957 49.46...   0.003575
## 3 100000000    210             100 LINESTRING Z (9.741789 52.3...   0.002100
## 4 100000000    220             100 LINESTRING Z (9.741789 52.3...   0.002200
## 5 100000000   1025             100 LINESTRING Z (11.08223 49.4...   0.010250
## 6 100000018    452              50 LINESTRING Z (11.55877 48.1...   0.009040
mu_hh_tempo <- sum(mu_hh_4326$fahrzeit_h)
mu_hh_tempo
## [1] "03:50:43"

Tempo-Potenzialanalyse ICE-Strecke Berlin - Köln

Vorbereitung des Datensatzes

Die ICE-Strecke von Berlin nach Köln soll als zweites Fallbeispiel herangezogen werden. Auch hier wird die Gesamtstrecke aus dem Datensatz extrahiert und die Datentabelle sortiert sowie gefiltert, um sie von Attributen zu befreien, die das Endergebnis verfälschen würden.

Die folgende Abbildung zeigt den gesamten Streckenverlauf von Berlin nach Köln. Auch in diesem Beispiel ist zu erkennen, dass je nach Abschnitt unterschiedliche Maximalgeschwindigkeiten vorliegen.

## Warning: The shape laender_4326 is invalid. See sf::st_is_valid

Auch auf dieser Strecke soll durch eine einfache Längenberechnung geprüft werden, ob die Daten valide sind. Die Streckenlänge ist in diesem Fall deutlich kürzer als im vorangegangenen Beispiel (Angabe in Kilometer).

(sum(be_kl_4326$laenge)/1000)
## [1] 552.113

Berechnung des Tempo-Potenzials

Nachdem abermals die betreffenden Werte, die die Maximalgeschwindigkeiten angeben, in das richtige Format gebracht wurden, kann über die herangezogene Formel die Fahrzeit der Gesamtstrecke berechnet werden.

Fahrzeit (h) = Länge des Streckenabschnitts (km) / Zulässige Höchstgeschwindigkeit (km/h)

Die folgende Tabelle zeigt, dass für jeden Streckenabschnitt die benötigte Fahrzeit berechnet wurde. Werden wieder die Werte der betreffenden Tabellenspalte aufsummiert und in ein lesbares Zeitformat gebracht, ergibt sich eine ideelle Fahrzeit von 3 Stunden, 4 Minuten und 36 Sekunden.

##    von_km_i laenge Geschwindigkeit                       geometry  fahrzeit_h
## 1 100000000    115             100 LINESTRING Z (9.742207 52.3... 0.001150000
## 2 100000000    150             100 LINESTRING Z (9.742207 52.3... 0.001500000
## 3 100000019    581             120 LINESTRING Z (7.01123 51.21... 0.004841667
## 4 100010000    172             100 LINESTRING Z (9.740473 52.3... 0.001720000
## 5 100010015    865             100 LINESTRING Z (9.743473 52.3... 0.008650000
## 6 100020072    878             100 LINESTRING Z (9.738391 52.3... 0.008780000
be_kl_tempo <- sum(be_kl_4326$fahrzeit_h)
be_kl_tempo
## [1] "03:04:36"

Konklusion

Diese Untersuchung konnte über die Verarbeitung eines offenen Datensatzes der Deutschen Bahn darlegen, welche potenzielle Fahrzeit auf gegebenen Zugstrecken unter Annahme der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit möglich ist. Die Ergebnisse der beiden dargelegten Fallbeispiele können mit der real angegebenen Reisezeit auf dem Reiseportal der Deutschen Bahn verglichen werden.

Zum Vergleich nochmals die beiden berechneten Fahrzeiten unter der Annahme, dass mit der Maximalgeschwindigkeit auf den jeweiligen Streckenabschnitten gefahren wird.

## [1] "03:50:43  <---  Ideelle Reisezeit von München Hbf bis Hamburg Hbf"
## [1] "03:04:36  <---  Ideelle Reisezeit von Berlin Hbf bis Köln Hbf"

Die theoretischen - also auf Idealbedingungen basierenden - berechneten Fahrzeiten weichen deutlich von den reellen Reisezeiten ab. Würden die Fernzüge der Deutschen Bahn zu jeder Zeit mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit fahren, könnte bei beiden Fallbeispielen etwa 30 Prozent der Fahrzeit eingespart werden. Die Ergebnisse sind allerdings insofern beschränkt, denn es wurden nicht die Beschleunigungs- und Bremsvorgänge bei den jeweilgen Geschwindigkeitsänderungen in die Berechnungen miteinbezogen. Zudem stehen Züge bei Zwischenhalten planmäßig zwei bis drei Minuten im Bahnhof, bis sie weiterfahren. Um eine tiefergehende Analyse zu gewährleisten, müssten diese Faktoren bei der Berechnung berücksichtigt werden.

Allerdings bietet das Ergebnis eine solide Grundlage, um Vergleiche mit Schnellfahrstrecken im Ausland zu gewährleisten. Beispielsweise benötigen Schnellzüge in Frankreich (TGV) bei etwa gleicher Streckenlänge deutlich weniger Reisezeit als in Deutschland. Die Gründe dafür sind unter anderem, dass es in Frankreich generell weniger Zwischenhalte im Fernverkehr und deutlich längere und durchgehende Streckenabschnitte mit einer hohen Maximalgeschwindigkeit gibt. Das zeigt eine ganz ähnliche Analyse, die vom SPIEGEL durchgeführt wurde.

Quellen

BKG (2019): Verwaltungsgebiete auf Bundeslandebene. Bundesamt für Kartografie und Geodäsie.
DB Datenportal (2018): Streckennetz der Deutschen Bahn. Deutsche Bahn Open-Data-Portal.
Natural Earth (2019): Städte & Siedlungen. Natural Earth Data.

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